09.12.2016
- Das Los einer schwachen Persönlichkeit |
Hinter dem Fenster
Frost. Auf der Fensterscheibe
entsteht vereinzelt mit filigranen Strichen etwas Raffiniertes und
Anmutiges: als ob der Frost aufmuntern möchte, oder einfach erfreuen
möchte. Und die Oberfläche des Holzes glänzt beim Auftreffen der
Sonnenstrahlen so, als sei sie übersäht mit diamantenen Perlen.
Schon
bald kehrt die Folge der Festtage wieder, mit ihren geheimnisvollen und
märchenhaften Abenden, mit dem Leuchten flackernder Kerzen und dem
Funkeln des Weihnachtsschmuckes ... und doch, irgendwie unerwartet, war
ich ein wenig in eine lyrische Stimmung eingehüllt .
Und dann,
während ich so in der Umarmung dieser Stimmung verweilte und die
Nachrichtenseiten in den Weiten des allgegenwärtigen Internets
anschaute, stieß ich wieder einmal auf einen eigentümlichen
Gefühlsausbruch eines Leidenden darüber, wie Russland, wo er das Leben
bis zu einem bestimmten Zeitpunkt verbrachte, sich angeblich in «...das
Böse in seiner reinsten Form» verwandelt habe.
Offenbar war Juri
Nesterenko, Autor des umfangreichen Artikels «Exodus», aus dem
sinngemäß die obigen Zitate entnommen wurden, sehr müde von der
unerträglichen Last der eigenen klaren Schlussfolgerung, was ihn
veranlasste, in das lichte Land des wunderbaren Amerika überzusiedeln.
Wie
normiert doch der Mensch denkt, der es noch nicht geschafft hat, seine
ursprünglichen egoistischen Eigenschaften umzugestalten in das von Gott
für den Beginn eines normalen sinnvollen Lebens Vorbestimmte.
In meiner Praxis von nun schon mehr als einem Jahrzehnt ist mir
dererlei Normverhalten ständig begegnet.
Es
gefällt allen, wortreich ihre Sorge zu äußern um das Wohl aller: zum
Wohl der Menschheit, des Landes, der Gleichgesinnten, und sogar der
Erde! Angenehm sich zu unterhalten auf solche phantasierende Weise mit
brennenden Herzen, angeblich besorgt um das Wohl aller.
Aber
genau das ist das kennzeichnende Merkmal ausschließlich einer schwachen
Persönlichkeit!
Und
in der Gesellschaft baut sich doch auf dieser Grundlage jedes gewählte
System auf, wo der Bedeutsamste unter denen gewählt wird, die sehr
gerne führen möchten, aus welchem Grunde auch immer.
Quo Vadis, Mensch!
Die
Menschen sind mit der besonderen Eigenschaft der Einmaligkeit der
Wahrnehmung der umgebenden Realität ausgestattet, und damit auch des
Verständnisses (der Realität).
Deshalb, wenn ihr eure
Selbstdarstellung durch das Ausdrücken dieser Art von Sorge
fälschlicherweise betont, dann werdet ihr, nach den Gesetzen des
Ausdrucks des Egoismus, unweigerlich Andersdenkende als mögliche
Schädlinge bezeichnen!
Eine kennzeichnende Besonderheit einer
geistig schwachen Person ist die Tendenz, unzweideutig seine eigene
Schlussfolgerungen zu idealisieren. Und wenn sie ihre eigenen Ideen
über das Wohl aller stellt, dann wird sie andere Ideen unbedingt als
schädlich wahrnehmen und diese Ideen als Feinde bezeichnen. Eine
vernünftige und gesunde Beurteilung anderer Ideen wird unter solchen
Bedingungen in der Regel nicht stattfinden.
Kann
man das nicht täglich beobachten unter den in ihrer Art populären
Egoisten, getrennt untereinander in weltanschauliche Gruppierungen,
lautstark diskutierend über das wohl ihrer Länder?
Wie eigenartig das einem zunächst vorkommen mag, aber die aktiv und
lautstark ausgedrückte Beunruhigung um das Wohl Aller, beruht gerade
auf geistiger Schwäche. Diese Schwäche ist auch der Hauptgrund für das
Erschaffen einer starken Versuchung, alle Andersdenkenden, und im
allgemeinen sogar Unbekannten, zu kritisieren, um damit irgendwie die
eigene Bedeutsamkeit mindestens irgendwie zu bezeichnen und zu betonen!
Es
ist eine große Versuchung Unrat in den Augen der Mitmenschen zu suchen,
während sich in den eigenen Augen schon große Mengen an Bauholz aller
Art angehäuft haben. Die starke Versuchung, diejenigen zu retten, die
ein anderes ideologisches Verständnis haben, und dabei selbst nicht in
der Lage sind, ihnen dazu ein halbwegs vernünftiges Argument zu
liefern; die Versuchung all jene zu warnen, die an der Spitze der
Staatsmacht stehen, und dabei selbst nicht in der Lage sind, eine
normale Ordnung im eigenen Hofe zu schaffen; die Versuchung, den
Spezialisten Hinweise und Belehrungen zu geben, und dabei selbst wenig
zu verstehen; sogar die Versuchung, nationale Eigenarten der Vertreter
anderer Völker zu kritisieren.
Welche
ausgesprochene Dummheit sich doch auf der Grundlage der Versuche des
Egoismus der schwachen menschlichen Persönlichkeit zu zeigen vermag,
seine individuelle Bedeutung während der ganzen historische Periode der
Lebenstätigkeit der Menschheit zu behaupten! Wie schön auch immer die
Parolen aussahen, mit großen und erhabenen Aufrufen, ihr solltet stets
daran denken, dass das Göttliche ausschließlich in Bescheidenheit
und Demut zu erkennen ist und sich äußert!
Das
Göttliche kommt nicht dann zutage, wenn ihr eure angeblich richtigen
Schlußfolgerungen auf allerlei Weise aufzuzwingen versucht, indem ihr
sie mit aus eurer Sicht überzeugenden Argumenten ausstattet, sondern
wenn die Nächsten selbst und ausschließlich aufgrund ihres
eigenen Willens euch darum bitten werden, dass ihr das für euch
Richtige ihnen mitteilt! Mit anderen Worten, der Mensch, der die Demut
würdig erkennt, wird niemals danach streben, die Nächsten zu
kritisieren und zu belehren, solange sie ihn nicht selbst um einen Rat
bitten werden!
Die Qualität jedes
Staates und überhaupt die des Landes, entspricht völlig der Qualität
derjenigen, welche ihn bilden. Für euch ist euer Land nicht irgendein
anderer, der auch dort lebt! Euer Land seid vor
allem ihr selbst! Wenn ihr dazu neigt, dem Land, wo ihr
lebt, eine negative Einschätzung zu geben, dann beeilt euch zuerst
selbst, euch dieselbe Einschätzung anzutragen. Wenn ihr wollt, dass
euer Land wirklich interessanter wird, dann beginnt selbst interessant
zu leben, nicht aber so, dass zu euch der Spruch über einen schlechten
Tänzer, dem zum Tanzen seine Hose stört, passen würde. (Auf deutsch:
Wenn der Schreiber nichts taugt, ist die Feder daran schuld. A.d.Ü.)
Dumme Fehler vieler anderer nicht zu wiederholen, dazu habt ihr immer eine Möglichkeit! So
wisset, dass wenn ihr diese oder eine andere Richtung wählt, ihr
unvermeidlich auch mit den diesen Richtungen eigenen kennzeichnenden
Besonderheiten (welche einander durchaus widersprechen können)
einverstanden sein müsst. Zum Beispiel, indem ihr die wichtigste
Priorität im Leben wählt zwischen dem Ansammeln von für die bestehende
Gesellschaft typischen materiellen Werten und dem Ansammeln von wahren
geistigen Werten, werdet ihr eindeutig gezwungen sein, eine aus diesen
gegenüberliegenden Richtungen zu wählen, und folglich wird es völlig
unangebracht sein, gleiche Erfolge in beiden Richtungen zu erwarten! Gleichzeitig
sollte man nicht die Erfahrung aus der Vergangenheit vergessen,
dass unabhängig davon, wie groß der Umfang der materiellen Werte war
oder der des Brotvorrates, den der Mensch hatte, dies in keiner Weise
das geistige Wohl garantierte und es auch gar nicht garantieren kann - eher sogar anders herum. Die
Umgebung verändern kann man nur durch ein praktisches Beispiel der
Veränderung seiner selbst, nicht aber durch leere, wenn auch
erhabene, Worte über irgendein allgemeines Wohl!
Zum
Schluß möchte ich ein humorvolles Bild erwähnen, wo jemand von der
Tribüne die Menschen, welche in der Menge vor ihm stehen, fragt: ”Wollt
ihr Veränderungen?”, worauf die Menge ihre Zustimmung mit hoch
erhobenen Händen bezeichnete, und als dieser Mensch fragte: “Wollt ihr
euch ändern?” sich schon keine einzige Hand mehr erhob.
Ihr
Eingebildeten, die ihr die Gerechtigkeit eurer Besorgnis und die
Erhabenheit der eigenen Beunruhigungen hoch schätzt, rettet wenigstens
euch selbst und lasst die anderen diese edle Arbeit selbständig machen!
Wenn ihr euch persönlich in die bessere Richtung ändert, so habt ihr
allein dadurch die einzige Möglichkeit, die umgebende Welt besser zu
machen!
Das Los der starken Persönlichkeit ist den umgebenden Raum seines Verweilens zu veredeln, ohne etwas zu beweisen! Das
Los der schwachen Persönlichkeit ist laut und wortreich zu kritisieren
und Unzufriedenheit auszudrücken, indem sie zu beweisen versucht, dass
sie im Recht ist.
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