Wadim und Wissarion im Gebäude der Kunstausstellung in Kiew (2006)
1. An den Sonntagen, dem 13. und dem 20. März 2005,
wurde das Sakrament der Verschmelzung mit dem Lehrer in der Wohnstätte
der Morgenröte, im Farntal vollzogen.
2. Nach der Verschmelzung an diesen Tagen schlug der
Lehrer jedoch nicht vor, dass Gläubige einige Fragen an Ihn stellen
könnten; Er wünschte ihnen nur Frieden und Glück und kehrte nach Hause
zurück ...
3. Am 23. März fuhren der Lehrer und einige Schüler
auf den Motorschlitten nach Petropáwlowka, wo an den nächsten drei
Tagen individuelle Treffen mit dem Lehrer mittels Losziehung
stattfanden.
4. Solche Treffen spendeten den Gläubigen weniger
informative, als vielmehr psychologische Hilfe durch das Gespräch mit
dem Lehrer und aufgrund des Zusammenseins mit Ihm.
5. Hier sind einige Sätze des Lehrers aus diesen Treffen.
6. «Kinder sind gerade dadurch glücklich, dass sie
sich nicht um das Schicksal des Vaterlandes und um das Schicksal der
Welt kümmern.»
7. «Es ist unmöglich, immer wieder von neuem Erleuchtung bezüglich einer Sache zu erleben. So etwas kann nur einmalig sein.»
8. «Lerne, dich über das Leben zu freuen, ohne
Freude wird nichts gelingen. Selbst wenn du nur in einem leeren kleinen
Zimmer im Dunkeln sitzt, lerne es, dich auch über diese Umstände zu
freuen.»
9. «Das Leben des Menschen in dem einem oder anderen
Milieu wird dann günstig, wenn es durch die Reaktionen des Menschen
bestimmt wird, nicht aber durch den Wohnort.»
10. «Ordne das Sichtbare (die äußerlichen Handlungen), dann wird sich auch das Unsichtbare (die Gefühlswelt) ändern.»
11. Am 27. März kehrte der Lehrer in die Himmlische Wohnstätte zurück.
12. Der Winter wollte nicht enden, der Frühling kam
unsicher und mit Verspätung. Darin lag eine Notwendigkeit, die für die
Wohnstätte der Morgenröte wichtig war: der Winterweg durch die Sümpfe
blieb weiterhin passierbar, was es ermöglichte, bis in die Apriltage
hinein Transportladungen und Baumaterial in die Stadt zu liefern,
darunter auch Baumaterial für den Bau des Hauses für den Lehrer; es war
geplant, dieses Haus in die radiale Struktur der Wohnstätte der
Morgenröte einzufügen (14 Wege, die von einem Zentrum ausgehen, was von
oben betrachtet einer Sonne ähnelt, daher "Stadt der Sonne" - Anm. d.
Übers.).
13. Nach der Verschmelzung am 3. April antwortete der Lehrer im Farntal auf die Fragen der Gläubigen.
14. «Ich hatte eine Übertretung ... Jetzt auf dem
Weg zur Verschmelzung habe ich gespürt, dass es mir peinlich ist, in
Deine Augen zu schauen. Ich verstehe, dass Du nicht tadeln kannst. Was
bedeutet diese Angst? Muss ich mir selbst klar werden, warum das so
ist?»
15. «In Bezug auf was? In Bezug auf deinen Fehler oder bezogen darauf, warum du dich schämst?»
16. «Bezogen darauf, warum ich mich schäme.»
17. «Das heißt, du willst dir klar werden und es so
haben, dass du dich nie für etwas schämen wirst, stimmt das? Welches
Ziel willst du verfolgen? Wie verstehst du dein Ziel? Wohin willst du
gehen? Du stellst die Frage, wie muss man richtig gehen, hast aber
nicht gesagt, wohin du gehen willst.
18. Falls du den Berg hochklettern willst, musst du
die entsprechende Anstrengung richtig vollbringen, dich kundig
verhalten, um nicht vom Fels abzustürzen. Falls du schwimmen willst,
brauchst du die Anstrengungen, die fürs Bergklettern nötig sind, nicht
mehr, es müssen schon Bemühungen ganz anderer Art sein. Bemühungen
wieder anderer Art werden gebraucht, um durch die Wüste zu gehen, dort
brauchst du keine Schwimmflossen mehr, um zu schwimmen, dort muss man
sich anders bewegen.
19. Alles hängt davon ab, wohin man geht, wohin zu
gehen man im Sinn hat. Versucht, dieses Bild zu verstehen. Falls ihr
lernen wollt, etwas zu tun, dann werdet euch klar, wofür ihr das lernen
wollt und in welche Richtung ihr eure Schritte lenken wollt.
20. Falls du vom Schamgefühl (Gefühl der
Peinlichkeit - Anm. d. Übers.) sprichst, musst du einen klaren Begriff
davon bekommen, was du verfolgen willst. Willst du das Schamgefühl
überhaupt ausschließen, die Wahrscheinlichkeit, es zu verspüren,
überhaupt wegnehmen? Das wäre ein großer Fehler. Die Scham ist das, was
eigene Schuld zu verspüren hilft, und sie ist der beste Richter für
euch, der die Richtigkeit eurer Handlungen feststellt.
21. Falls ihr Scham verspürt, heißt das, dass sie
euch Auftrieb geben wird und euch helfen wird, die Richtigkeit der
Handlungen zu bestimmen. Falls ihr sie überhaupt nicht verspürt,
bedeutet das, dass ihr euren Fehler nicht fühlt und ihn nicht
feststellen könnt.
22. Falls ihr aber nicht imstande seid, euren
Fehler festzustellen, wie werdet ihr ihn dann korrigieren? Ihr fühlt
ihn doch nicht, ihr habt in jedem Fall wunderbare Laune.
23. Ob ihr dem Nachbarn ins Auge gestoßen habt,
oder ob ihr den Nachbarn gestreichelt habt - ihr habt dabei die gleiche
wunderbare Laune, euch kümmert es nicht, dass jemand weint. Ihr habt
ihm ins Auge gestoßen und der Mensch ist in Tränen ausgebrochen. Ihr
aber habt es gut und leicht, ihr geht weiter und lächelt, ihr habt
keine Gewissensbisse.
24. Falls man ein Gewissen hat, spürt man seine
Schuld. Wenn man sich für seine Handlung schämt, ist das eine normale
Erscheinung. Die Hauptsache dabei ist, dass ihr eure Aufmerksamkeit
nicht übermäßig darauf verschärft, sonst beginnt eure
Selbsterniedrigung.
25. Es ist natürlich peinlich, wenn so etwas getan
wurde; konzentriere aber deine weiteren Bemühungen schon auf etwas
anderes: auf die Fähigkeit, eigene Fehler einzusehen und aufrichtig die
Notwendigkeit zu erkennen, diesen Fehler nicht aufs Neue zu machen,
sich Mühe zu geben, den Fehler im Weiteren zu vermeiden. Das muss getan
werden.»
26. «Ich habe noch eine Frage», fuhr die Frau fort.
«Ich habe Reue erlebt, und die Reue schien mir aufrichtig zu sein.
Soviel ich aber verstehe, muss nach der Reue irgendwelche Freude
auftauchen. Aber bei mir ist keine Freude erschienen. Bedeutet das,
dass ich nicht genügend aufrichtig bereut habe?»
27. «Nein, das bedeutet es nicht. Die Reue räumt das Schuldgefühl nicht weg.»
28. «Wie kann man bei Menschen den Wunsch wecken,
sich wiederherzustellen und sich zu ändern?», war eine der Fragen
dieses Treffens.
29. «Das Ziel zu verfolgen, den anderen zu helfen,
ist eine gefährliche Idee. Eine sehr gefährliche Idee! Hier kann man
sich sehr leicht in der Welt der Illusionen verirren. Der Mensch muss
sich selbst vor allem mit eigenen Kräften helfen.
30. Und ihr müsst hilfsbereit sein, falls der
andere schon die Bereitschaft entwickelt hat, die Hilfe eben von euch
zu nehmen. Dann werdet ihr mit ihm das austauschen, was ihr zu dieser
Zeit versteht. Ihr könnt nicht die völlige Wahrheit teilen, sondern nur
so, wie ihr etwas infolge der Begrenztheit eures Denkens in dem
bestimmten Zeitabschnitt gemäß eurer allmählichen Entwicklung im
gegebenen Moment einschätzen könnt. Wenn es ihm hilft, ist das
wunderbar und ihr seid glücklich, dass eure Hilfe dienlich war.
31. Ihr müsst einfach immer hilfsbereit sein,
aufmerksam sein, um ihn rechtzeitig zu unterstützen. Verliert euch aber
nicht in Gedanken darüber, wie den anderen geholfen werden kann oder
wie die Nächsten gerettet werden können. Diese Idee hat etwas
Schizophrenes an sich (so könnte man das bezeichnen). Ihr verirrt euch
hier, ihr macht sehr viele Fehler dabei. Solch ein Ziel dürft ihr euch
nicht setzen.
32. Man darf den Menschen nicht zwangsweise ändern.
Er kann ungeschickt gestoßen werden, und dann wird er anscheinend
schneller laufen ... er wird aber auch schneller umfallen: seine Beine
werden ihm nicht gehorchen, er ist noch nicht bereit, normal zu laufen.
Ihr werdet durch irgendwelche eigenen künstlichen Bemühungen zu seiner
Beschleunigung beitragen - und er wird bald umkippen. Ihr habt die
Kraft des Stoßes nicht berechnet. Entsprechend konnte er aber mit
seinen Beinen nicht fertig werden und so ist er gefallen.
33. Seid also vorsichtig, wenn ihr wünscht,
jemandem einen Schubs zu geben. Das muss sehr vorsichtig, geschickt und
kundig getan werden. Hier ist es am wichtigsten, das Ziel in der
rechten Weise vor sich zu haben. Beeilt euch aber nicht, einander zu
retten. Das ist eine sehr gefährliche Idee.»
34. «Lehrer, muss man einem ungläubigen Ehemann
ebenso dienen wie einem gläubigen Ehemann? Muss man ihm zum Beispiel
die Füße waschen und Massage geben?»
35. «Darf man dem geliebten Menschen die Füße
waschen, oder darf man es nur dann machen, wenn er zum Gläubigen
geworden ist? So stellt sich diese Frage ...» Die Worte des Lehrers
wurden mit Lächeln seitens der Zuhörer in Empfang genommen.
36. (Frau:) «Nein, es geschieht einfach so: er
kommt von einer Dienstreise, hat Geld verdient, ist müde und trinkt
etwas Alkohol ...»
37. «Und das verwirrt dich: er ist müde ...»
38. (Frau:) «Nein, aber er hat etwas Alkohol
getrunken, und ich habe keinen Wunsch, ihm zu dienen und ihm zum
Beispiel die Füße zu waschen. Oder muss man das doch tun?»
39. «Du willst nur dann dienen, wenn er ein Gläubiger ist?»
40. (Frau:) «Doch ja.»
41. «Wie wollt ihr einander denn helfen? Nur, wenn
der Nächste bewiesen hat, dass er sich auf dem Glaubensweg wie ein
Panzer durchkämpft? Und falls er sich nicht durchkämpft, muss man ihm
nicht helfen?» lächelte der Lehrer. «Das ist, als ob du so etwas
Ähnliches zu fragen versuchtest ... Kann man die Frage aber so
betrachten?
42. Als ob du annimmst, dass du bereit wärest zu
helfen, aber nur wenn er sich perfekt auf dem Weg der Wahrheit bewegt.
Denn "nicht perfekt" bedeutet, dass er irgendwo einen Fehler begehen
und einen Bock schießen wird. Und bereits in eben diesem Moment willst
du ihm nicht mehr dienen. Du stellst ihm gleich eine Vorbedingung: ‹Ich
bin bereit, dir zu helfen, aber begehe niemals einen Fehler. Wenn du
Fehler machen wirst - dann werde ich dir nicht mehr dienen.› Nein, so
kategorisch darf man sich nicht verhalten.
43. Das ist doch dein geliebter Mensch, du bist an
seiner Seite, du willst ihm helfen. Du versuchst, ihm durch deine
Herzenswärme zu helfen, und forderst dabei nichts von ihm. Keine
Forderung!
44. Dein Dienen bedeutet, ihn seelisch zu
unterstützen. Es muss auf jeden Fall getan werden: geistig unterstützen
heißt, auf eine gewisse Weise die eigene Hoffnung, den Glauben an den
Menschen äußern. Das ist die erste Aufgabe, die du lösen musst.
45. Und weiter ... sei sodann aufmerksam. Falls er
dich bittet, zusammen mit ihm Alkohol zu trinken und dabei denkt, dass
du ihm dadurch dienen würdest ... das darfst du hier nicht tun. Das
bedeutet schon etwas ganz anderes.»
46. «Ja, freilich.»
47. «Hier kannst du sehen: das Dienen selbst kann
in viele verschiedene Details eingeteilt werden. In einem Fall kann man
bei etwas also sagen: das muss getan werden; es ist in Ordnung, das zu
tun. Und woanders kann man sagen: nein, gerade das darf nicht getan
werden, da es sich schon um eine gefährliche Art des Dienens handelt.
Hier dient man schon nicht mehr seinen eigenen hochgesinnten, guten
Zielen und bestimmten Ideen, sondern seinen niedrigen Charakterzügen.
Seid hier also aufmerksam.
48. Jemandem die Füße zu waschen, bedeutet nicht,
etwas Sündhaftes zu tun. Du hilfst einfach, Müdigkeit abzuwaschen. Und
wenn er deine Sorge, deine Liebe und deine Güte sieht, wärmt das sein
Herz, und er beginnt dadurch, anders auf die Welt zu schauen. Du hilfst
ihm, sich aufzuwärmen und aufzuhören, an etwas nicht Gutes zu denken,
falls er kurz zuvor durch seine Müdigkeit an etwas Ungutes gedacht hat.
Er bekommt deine Wärme, und in seinem Inneren hat es sich beruhigt. Das
heißt, gerade hier dienst du sodann wunderbar.
49. Sei deshalb vorsichtig, hier forderst du zu viel von dem Mann, der neben dir ist. So darf man es nicht tun.»
50. «Ich habe oft ein unangenehmes Gefühl: ich
fühle mich höher gegenüber einer Schwester oder einem Bruder. Das
heißt, es gibt solche Situationen, wo ich von einer Schwäche einer
Schwester erfahre, und dabei erlebe ich ein unangenehmes Gefühl der
Erleichterung: nicht nur ich allein bin so schwach.»
51. «Und ist das Gefühl der Erleichterung unangenehm?»
52. «Ja, so unangenehm ...»
53. «Wie fühlt es sich genau an?»
54. «Nun, als ob ich mit Spülwasser übergossen würde ...»
55. «Das heißt, es wurde dir leichter, und gleichzeitig wie mit Spülwasser übergossen?»
56. «Ja, das Gefühl ist sehr unangenehm.»
57. «Genau in dem Moment, wo es dir leichter wird?
Oder erlebst du zuerst Leichtigkeit und damit also auch das gewisse
Gefühl der Freude, der Befriedigung, und schon danach kommt eine
weitere Gemütsbewegung?»
58. «Nun, vielleicht so.»
59. «Oder passiert das gleichzeitig?»
60. «Es scheint mir gleichzeitig zu sein. Ich bemerke das irgendwie sofort ...»
61. «Das kann kaum gleichzeitig sein. Das Wort
«Leichtigkeit» spricht von einer gewissen Befriedigung, das heißt, dass
ihr positive Emotionen erlebt. Dem Gefühl der Leichtigkeit entsprechen
in der Regel positive Emotionen. Das heißt, ihr könnt nicht
gleichzeitig irgendeine negative Gemütsbewegung erleben.
62. Gleich danach zeigt sich eine andere Reaktion.
Das heißt, in deinem Bewusstsein erscheint eine blitzschnelle
Einschätzung darüber, dass du dich über den Menschen erhoben hast. Und
schon schaltet sich der Mechanismus der Besorgnis bezüglich eigener
unwürdiger Eigenschaften ein.»
63. «Lehrer, ich wollte fragen, woran ich denken
muss, damit diese Empfindung weggeht? Welche inneren Anstrengungen muss
ich unternehmen, damit diese Empfindung weggeht?»
64. «Man muss sich entwickeln, man muss das ganze
Letzte Testament erfüllen. Das ganze Letzte Testament! Damit die
Eigenschaften geändert werden und diese Gemütsbewegungen nicht mehr
existieren. Es gibt keine einzelnen, separaten Handlungen, die diese
Emotionen wegnehmen. Du aber musst lernen zu überlegen, was dich in
diesem Fall verwirrt gemacht hat.»
65. «Heißt das, diesen Moment schöpferisch versuchen zu lösen?»
66. «Ja, aber tatsächlich wird er durch solch einen
Versuch nicht weggenommen. Das ist eine Illusion, dass er so
abzuschaffen ist. Er wird so nicht abgeschafft. Nur falls diese
Situation aufs Neue erscheint, kommt blitzschnell die Reaktion, zu der
du innerlich neigst. Deine Eigenschaften neigen dazu, man kann sagen,
dass dein Nervensystem dazu neigt.
67. Und dein Gedanke kann nicht irgendwie dem
Nervensystem zuvorkommen. Du benutzt die Information nur durch dein
Bewusstsein, aber sie kann nicht schneller als das Nervensystem sein.
Zuerst reagierst du also blitzschnell, dann wird sich das Erfassen
dessen einschalten, was mit dir geschehen ist. Deshalb wirst du sie
(die erste Reaktion - Anm. d. Übers.) nicht stoppen.
68. Falls der Gedanke zuerst wäre und sich dann die
Reaktion einstellen würde ... Das hieße, ihr hättet den Finger ins
Feuer gesteckt und begriffen. ‹Oh, der Finger brennt. Das muss weh tun.
Oh - oh - oh - das tut weh ...› Hier muss man die Hauptbesonderheit
begreifen: dass ihr zuerst mit Gefühlen, innerlich, energiemäßig auf
Ereignisse reagiert, und dann verläuft der Vorgang des Begreifens
dieser Ereignisse. Deshalb, wie gut ihr euren Verstand auch benutzen
würdet, ihr werdet eurer Reaktion nicht zuvorkommen, sie wird zuerst da
sein.
69. Und dann müsst ihr es schaffen, euch
rechtzeitig zu stoppen, eure negativen Emotionen zu bremsen, sie nicht
zu entwickeln und eure Gedanken zu zügeln. Das ist es, woran ihr
arbeiten sollt.
70. Das heißt, der Gedanke bewegt euch in Richtung
irgendeiner negativen Handlung im Zusammenhang mit Emotionen, und ihr
greift euch dann selbst, ihr bremst euch selbst. Haltet euch im Zaume,
haltet eure Fehlreaktion auf; und im Weiteren denkt ihr daran, was ihr
zu tun habt. Ob es derart getan werden muss, wie euch eure Emotionen
drängen, oder ob es doch nicht richtig ist, so zu handeln? Und dann,
indem ihr euch bremst, nötigt ihr euch selbst, Anstrengungen in
irgendeine andere Richtung einzusetzen; nicht solche Anstrengungen, die
bei euch vornehmlich durch Emotionen bestimmt werden. Eben das ist die
Arbeit an euch selbst.
71. Sucht aber nicht Wege, wie man der Reaktion
vorbeugen kann, ihr werdet das nicht schaffen. Sie wird euren Neigungen
entsprechend vorhanden sein. Indem ihr euch aber selbst erzieht,
beginnt ihr euch zu ändern. Das gerade ist die Arbeit, die Jahre
braucht.
72. Und falls ihr einen Weg sucht, wie man schnell
durch kurze Übungen zu einem geistig reinen und hellen Menschen wird -
so ist das eine Illusion. Niemand konnte je auf diese Weise so werden
und niemand wird es können. Das ist unmöglich.
73. Wenn es möglich wäre, dann wäre das schon längst vor Jahrtausenden zur Aufgabe gemacht worden; und auf dieser Erde
würden schon längst vortreffliche, fromme Menschen leben. Aber ...
Jahrtausende sind vergangen, und immer noch kämpft und kämpft ihr ...
Weil es eine bestimmte Besonderheit gibt, die die Entwicklung des
Menschen betrifft und die nicht so einfach zu ändern ist.
74. Das ist eine ernste Arbeit, die man an sich
selbst erfüllen muss; und man muss noch Jahre und Jahrzehnte arbeiten
... Und sogar jahrhundertelang muss eure Gefühlswelt ausgebildet
werden, geschliffen werden, irgendwo etwas poliert werden, irgendwie
vervollkommnet werden; mittels dieser Gefühlswelt werdet ihr dann als
Meister den umgebenden Raum verändern.
75. Und jetzt versucht ihr, diese Meister zu werden. Ihr lernt und ihr schleift eure Fähigkeit. Aber das muss lange getan werden.
76. Man muss also vornehmlich die innere
Orientierung verstehen, was man tun will. Aber Gemütsbewegungen
loswerden? Das geht nicht. Man kann sie nicht loswerden, man kann ihnen
nicht zuvorkommen. Und dann schau weiter ...»
77. (Frau:) «Nicht loswerden, damit diese Empfindung weg wäre.»
78. «So wird diese Empfindung nicht weggehen. Das
ist dein Gefühlszustand, deine innere Welt. Sie kann nur dann
ausgeschaltet werden, wenn du dich davon fern hältst oder sehr kräftig
deine Aufmerksamkeit auf etwas anderes umschaltest; auf diese Weise
kann diese Gemütsbewegung sofort gedämpft werden. Etwas hat dich
abgelenkt und du wirst spüren, dass deine Teilnahme an irgendwelchen
anderen Ereignissen deinen Zustand erleichtert. Du hast deine
Aufmerksamkeit umgeschaltet.
79. Während du aufmerksam gegenüber dem bist, was
dich verwirrt, ist es gar nicht einfach, die Gemütsbewegungen
loszuwerden, das ist ja auch sinnlos. Das nimmt deine Eigenschaft nicht
weg. Sowieso, wenn dieser Umstand wieder eintritt, wirst du sofort
ebenso reagieren.
80. Deshalb schau zuerst, wozu dich deine
Gemütsbewegung anregt. Falls gerade diese deine Gefühlsbefindlichkeit
der Leichtigkeit dich zu dem Gedanken anregt: ‹Oh, so ist sie! Ich aber
mache das nicht so, ich bin doch besser, sie aber schlechter›, falls
deine Gemütsbewegung dich zu solchen Überlegungen anregt, zügle dich
sofort und sage dir: ‹Wodurch bin ich denn besser? Doch, kann sein, ich
bewältige so etwas in solch einem Fall besser, dennoch gibt es auch
eine Menge Dinge, wo der andere Mensch etwas besser schafft als ich.
Wozu sich also erhöhen? Nein, das ist nicht in Ordnung.›
81. Bremse dich also und nähre diese Überlegungen
nicht. Gerade das ist die notwendige Arbeit. Nicht "wie ist die
Gemütsbewegung abzuschaffen", sondern man muss auf die Handlungen
sehen, zu welchen die Emotion einen bewegt, um die Handlungen zu
korrigieren.
82. So muss man das Ziel nicht verfolgen, wie die
Emotion selbst abzuschaffen ist, sondern man muss richtig denken
lernen, richtig überlegen.
83. Denn alle eure Handlungen sind damit verbunden,
was ihr kurz vorher empfunden habt, welche emotionale Gemütsbewegung zu
diesen Handlungen aufgefordert hat. Und gerade hier müsst ihr
überlegen, ob so etwas getan werden muss. Waren eure Gemütsbewegungen
wirklich richtig, und muss man so handeln? Oder muss man es doch
schaffen, sich selbst zu stoppen? Arbeitet gerade daran.»
84. (Frau:) «Wenn ich zum Beispiel sehe, dass sich
jemand in Ruhe grauenhafte Filme anschauen kann, und ich spüre: hier
erhöhe ich mich ... und sofort habe ich den Gedanken: der Mensch ist
einfach soweit ...»
85. «Grauenhaft innerlich?»
86. (Frau:) «Ja doch ... soweit vorangegangen, dass
er etwas Vergröberung braucht, und dass es ihm nach dem Film gleich
leichter sein wird.»
87. «Je nachdem, wie er ihn sich ansieht. Man kann sich etwas auf unterschiedliche Weise ansehen.»
88. (Frau:) «Und hier finde ich anscheinend eine
Rechtfertigung. Und ich sehe, dass dieser Mensch viel höher steht als
ich. Und meine Erhöhung verschwindet sofort.»
89. «Im Allgemeinen ist es natürlich hier doch
besser, bemüht zu sein, keine Einschätzung vorzunehmen, warum jemand
dies tut. Weil es so sein muss, nichts weiter! Wenn es dir unangenehm
ist, dir das anzusehen, so sieh es dir auch nicht an. Beeile dich aber
nicht einzuschätzen, warum der andere das tut und um wie viel er höher
steht als du oder schlechter ist als du in diesem Fall.
90. Das heißt, der Versuch, diese Einschätzung zu
machen, ist in seinem Wesen schon lasterhaft. Du strebst danach, die
umgebenden Erscheinungen einzuschätzen, um sie mit dem zu vergleichen,
was in deinem Inneren geschieht. Das heißt, all dies ist ein Vorgang
des Wettbewerbs: all diese Einschätzungen und die Vergleiche. Ihr habt
Angst, schlechter zu sein als alle anderen. Schon deswegen findet die
Tatsache des Hingelangens zu dieser Einschätzung statt, das aber ist
nicht in Ordnung.
91. Kläre bei dir: willst du dir den Film ansehen?
Irgendwer sieht ihn sich an, es gibt die Möglichkeit, sich Gruselfilme
anzusehen ... Und du: ‹Nein, ich möchte das nicht› - und sieh ihn dir
nicht an. Und warum sieht sich jemand so etwas an? So ... nun darum.
Und das ist genug an Erklärung», sagte der Lehrer lachend.
92. «Das heißt, denkt nicht zu viel über dieses
Thema nach. Ihr verschwendet eure Zeit damit, ihr bringt vergeblich
Emotionen zum Ausdruck, und das ist an und für sich eine sinnlose
Beschäftigung - das ist die Suche nach Antworten, warum etwas bei
jemandem so ist ...»
93. Am Ende des Treffens sagte der Lehrer: «Aber
einfach als Abschluss erinnere Ich euch noch einmal daran, was Mascha
angesprochen hat. Vergesst nicht: versucht nicht die Kontrolle über
Gefühle zu erlangen. Ihr werdet diese Kontrolle nicht finden. Das
Gefühl bewegt zu Handlungen, und sodann mit den Handlungen ... mit den
Handlungen beginnt der Verrat.
94. Das Gefühl der Unzufriedenheit ist bisweilen
mit der Schwäche des Menschen verbunden. Das heißt, er ist nicht darauf
eingestimmt, etwas positiv aufzunehmen, und hier arbeitet einfach
irgendein egoistisches Gefühl. Dann aber beginnt die Handlung. Und hier
muss man auf die Handlungen achten.
95. Der Verrat wird in den Handlungen sein, aber
nicht darin, dass eure erste Reaktion negativ war. Im Weiteren folgte
der Gedanke, erst nach dieser Reaktion. Und schon mit dem Gedanken kann
der Verrat beginnen. Deswegen muss man sich rechtzeitig kontrollieren,
man muss seine Art zu denken formen, bestimmte Handlungen gestalten,
die ihr mit euren Händen vollzieht oder mit Worten. Dort ist dann
jenes, was euren Kräften angemessen ist.
96. Es ist aber nicht in euren Kräften, auf die
erste Reaktion einzuwirken. Ihr könnt ihr mit euren Gedanken nicht
zuvorkommen. Deshalb, wenn ihr über irgendein Thema nachzudenken
versucht, müsst ihr nicht nach Wegen suchen, wie man der Reaktion
zuvorkommt; ihr müsst bestimmte Begriffe suchen, die ihr sehr schnell
in dem Moment benutzen könnt, wenn es nötig ist, sich selbst unter
Kontrolle zu bringen.
97. Wenn zum Beispiel eine innere Reaktion auf
etwas stattgefunden hat, dann hat sie euch schnell zu irgendeiner
Überlegung oder zu irgendwelchen Handlungen gedrängt. Wenn ihr aber
über dieses Thema im Vorhinein nachgedacht habt, so könnt ihr sehr
schnell richtige Lösungen finden, die ihr zu meistern habt, und ihr
werdet euch Mühe geben, dies zu tun.
98. Dort eben beginnt die Beeinflussung der inneren
Welt: wenn ihr versucht, euch auf euren richtigen Platz zu stellen und
emotionale Erscheinungen, die sich in euren Handlungen äußern, zu
kontrollieren. Auch die emotionalen Erscheinungen zu kontrollieren, die
sich in Worten äußern, die bei euch sofort hörbar werden, was ein
anderer Mensch gleich an sich selbst offensichtlich spüren kann. Dies
hier müsst ihr in der rechten Weise kontrollieren lernen. Nicht aber
eigene Gemütsbewegungen. Die könnt ihr nicht kontrollieren.
99. Aber in dem Maße, wie ihr euch selbst erzieht
und je mehr ihr euch mit geistigen Fragen und geistigen Themen
durchtränkt, umso weniger werdet ihr auf etwas negativ reagieren; dies
wird schwächer und gemäßigter sein.
100. Und auch wenn diese Reaktion erscheint, ihr
werdet sehr schnell die Kontrolle über euch finden und werdet schon die
richtige Anstrengung einsetzen; und niemand wird wohl auch bemerken
können, was in eurem Inneren abgelaufen ist. Das heißt, ihr seid
erzogen, ihr könnt euch beherrschen und eure Anstrengungen lenken. Das
ist wichtig zu tun.»
101. Am 5. April, nach ziemlich langer
Unterbrechung, in der der Lehrer keinen Wunsch hatte, einen Pinsel oder
die Kreidestifte in die Hand zu nehmen, begann Er wieder zu malen ...
102. Am 14. April wurde in Petropáwlowka der
Festtag des Frühlings und des Wiederaufblühens gefeiert. Nach der
festlichen Liturgie erschien der Lehrer im weißen Gewand vor den
Gläubigen. Und ab diesem Tag war die Farbe des Gewandes des Lehrers
immer nur weiß.
103. Der langen Verschmelzung mit dem Lehrer folgte das kurz gefasste Wort.
104. «Ich gratuliere euch zum Festtag. Meine Glückwünsche sind euch bekannt.
Ich wünsche euch alles Gute, was ihr euch vorstellen könnt.
105. Jetzt möchte Ich nicht viel reden (ihr habt
das wohl gespürt). Ich sage nur, dass eine Periode zu Ende ist und eine
andere beginnt. Und in diesem Zusammenhang möchte Ich zu den
Glückwünschen das hinzufügen: bringt es fertig, an eurem Glauben festzuhalten. Und wenn ihr das könnt, so stärkt Ihn.
106. Vergesst nicht: es ist nicht die Sache des
Lehrers, die Menschheit zu retten; die Sache des Lehrers ist, zu
zeigen, wie ihr es tun könnt. Die Rettung selbst aber muss von euch
erfüllt werden, eben von euch. Je schneller ihr das Unnötige in euch so
bezähmt, wie wir es zusammen besprochen haben (ihr habt gefragt, Ich
habe geantwortet), umso schneller werdet ihr vom Brot des Sieges essen.
107. Aber bis jetzt hattet ihr eine wirre Zeit, eine sehr wirre Zeit. Deshalb wünsche Ich: bringt es fertig, euren echten Glauben zu bewahren. Nicht den ausgedachten Glauben, sondern den echten Glauben, der euch gleichermaßen betrifft, und ihr müsst ihn gleichermaßen erkennen.
108. Nur das Ausgedachte betrifft euch in ungleichem Maße, weil eure Phantasien in unendlicher Vielfalt vorhanden sind.
109. Macht eure Schritte sicherer. Lasst uns
weitergehen, legt die Lebensprüfung ab. Ich habe es geschafft, euch
vieles von dem zu geben, was ihr dann wirklich braucht. Das Weitere
könnt ihr nehmen, nachdem ihr das Bevorstehende getan habt. Wenn ihr
das aber nicht macht, so könnt ihr das Weitere nicht erfragen, euer
Bewusstsein wird in der Vergangenheit verweilen.
110. Bewahrt die Wachsamkeit, wenn ihr sie erlangt
habt. Wenn ihr sie wenig entwickelt habt oder wenn ihr sie gar nicht
habt, so erlernt es, sie in euch zu bilden. Seid gegenüber allem
aufmerksam. Gegenüber allem! Euer Leben wird sich bei allem
entscheiden, bei jeder Kleinigkeit.
111. Doch die Hauptsache ist, die Freude nicht zu
vergessen. Es ist sehr wichtig, sich freuen zu lernen; es ist wichtig,
dankbar zu sein für alles, was ihr vorfindet.
112. Und seid vorsichtig mit den Gedanken. Ich
wiederhole noch einmal: seid mit euren Gedanken vorsichtig. Die erste
Periode ist zu Ende und die zweite beginnt; sie ist sehr wichtig,
ebenso wie alles, was mit der Zeit kommen wird. Seid rein in euren
Gedanken, dann werden wir uns noch mehrmals treffen.
113. Ich wünsche euch Glück, Ich wünsche euch,
glücklicher zu sein; Ich wünsche euch es zu lernen, glücklich zu sein.
Eben zu lernen, weil es wirklich eine große Fähigkeit sein soll.
114. Nur durch die Befähigung, dankbar für alles zu sein, werdet ihr fähig, glücklich zu sein. Gerade euer Glaube und das, was euch gemäß eures Glaubens gegeben wird, muss euch dies lehren.
115. Seid glücklich! Schafft das Glück mit euren Händen. Und möge die Liebe auf euren Lippen und in euren Händen sein. Amen.»